Originalität und Viralität von (Internet-)Memes – Call for Papers für eine Sonderausgabe von kommunikation@gesellschaft

So wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, so entsteht auch in der Populärkultur ein (Internet-) Meme nicht durch ein einzelnes Video, Musikstück oder Bild. Memes bedürfen vielmehr einer kollektiven Dynamik, in der dutzende, hunderte oder sogar tausende individuelle Beiträge in permanenter und wechselseitiger Referenz produziert werden. Memes stellen damit eine Form einer (alltäglichen) Kreativität dar, die in ihrer Breite erst durch durch digitale Netzwerkmedien ermöglicht wurde. Aus der technischen Reproduzierbarkeit digitaler Medieninhalte ergibt sich ein hochgradig dynamisches Phänomen, das die Kommunikation einer jungen Generation formt – innerhalb eines Spannungsfeldes zwischen Originalität und Viralität.

Die Viralität zeigt sich nicht darin, dass Memes – wie ein Virus – eigenständig und gegen den Willen der Akteure für ihre eigene Reproduktion sorgen. Vielmehr bleibt das Verändern und Vervielfachen von Memes eine soziale Handlung, die beispielsweise durch das Teilen mit Freunden kulturelle Zugehörigkeiten artikuliert oder Beziehungen aktualisiert. Jedoch entstehen Memes erst in einer kollektiven Dynamik, in der viele Personen durch individuelle, aber aneinander orientierte Handlungen ein überindividuelles Ganzes entstehen lassen. Diese Viralität prägt die fortlaufende Reproduktion eines Memes, indem sie zum Schaffen neuer Varianten auffordert, gleichzeitig aber starke Abweichungen reguliert. Durch diese, in Memes grundlegend eingeschriebene digital-diskursive Logik, werden tradierte individualistische Konzepte der Originalität, Autorschaft und Werkherrschaft herausgefordert oder unterwandert.

Memes sollten dabei keinesfalls nur als Phänomen jugendlicher Amateurkultur betrachtet werden: Die partizipative Dynamik ruft auch professionelle Akteure aus dem Marketing, der Politik, dem Journalismus und anderen gesellschaftlichen Bereichen auf den Plan. Aneignung, Veränderung und Verbreitung von Memes werden so zu planvollen Zielen in Werbung, Wahlkämpfen und Plattformen, die reflexiv umgesetzt werden sollen. Dabei zeigt sich, dass Memes in komplexe, gesellschaftliche Prozesse eingewoben sind und gleichermaßen als Ausdruck – latenter wie offener – sozialer Strukturen begriffen werden müssen. Die Analyse von Memes erfordert daher immer auch, gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Auseinandersetzungen mit einzubeziehen. Memes können humorvolle und überraschende Kontextualisierungen bieten, aber auch sexistische und rassistische Stereotypen reproduzieren. Während manche Memes für “Hate-Speech” und “Shitstorms” genutzt werden, verletzen andere massenhaft Urheber- und Persönlichkeitsrechte.

Ausgehend von dieser Pendelbewegung zwischen individuellen Beiträgen und kollektiver Dynamik ist ein Themenschwerpunkt in der Zeitschrift kommunikation@gesellschaft geplant. Ausgehend von dem beschriebenen Spannungsfeld zwischen Originalität und Viralität sollen Memes auf ihre Einbettung in gesellschaftliche und kommunikative Kontexte untersucht werden. Damit soll ein Beitrag im interdisziplinären Diskurs zur Erforschung von Memes geleistet werden.

 

Erwünscht sind insbesondere Beiträge, die folgende Fragen und Themenkomplexe behandeln:

  • Wer, d. h. welche Akteure sind bei der Entstehung und Verbreitung von Memes beteiligt? Welche Motive, Funktionen und Autoritäten sind in diesen Prozessen anleitend?
  • Welche Artefakte und Techniken, Medien und Plattformen werden für die Aufrechterhaltung der Meme-Dynamik eingesetzt und mit welchen Folgen für die öffentliche Meinungsbildung?
  • Mit welchen juristischen und technischen Mitteln wird gleichermaßen die enorme technische Reproduzierbarkeit von Memes reguliert, eingeschränkt oder verhindert?
  • Welche historischen Bezüge und Parallelphänomene zu digitalen Internet-Memes lassen sich erkennen und thematisieren?
  • Wie lassen sich unterschiedliche Formen von Memes oder Meme-Praktiken unterscheiden und beschreiben? In welchen Formen findet Kommunikation mit oder über Memes statt?
  • Wo und wie sind Memes Gegenstand von Prozessen sozialer Ungleichheit, z. B. in der Ermächtigung oder Verletzung kultureller Identitäten? Auf welche Weise und mit welchen Folgen mobilisieren und radikalisieren Memes gesellschaftliche Ressentiments und Vorurteile?
  • Mit welchen theoretischen Werkzeugen lassen sich die Dynamiken zwischen Originalität und Viralität erfassen, beschreiben und erklären?

Welche Methoden braucht es, um die Verbindung aus qualitativen Veränderungen und quantitativen Verbreitungswellen von Memes einfangen und analysieren zu können?

Die Herausgeber freuen sich über Vorschläge für Beiträge aus der Soziologie, den Cultural Studies, Kommunikationswissenschaften, Medienwissenschaften, Kunst- und Kulturwissenschaften, Rechtswissenschaften und anderen angrenzenden Bereichen. Als Format sind neben klassischen Forschungsbeiträgen auch Essays und Sonderformate wie Forschungsnotizen oder Interviews möglich.

Auf Grundlage der eingereichten Vorschläge wird eine Auswahl für die Sonderausgabe getroffen. Die vollständigen Beiträge werden von den Herausgebern der Sonderausgabe sowie von Herausgebern von kommunikation@gesellschaft begutachtet, wobei unter Umständen auch externe GutachterInnen hinzugezogen werden. Die Herausgeber behalten sich vor, auf Grundlage der Begutachtung auch ausgearbeitete Beiträge nicht zur Veröffentlichung vorzusehen. Bitte senden Sie Ihren Vorschlag im Umfang von 1 bis 2 Textseiten sowie weitere Anfragen an meme@musikwirtschaftsforschung.de

Vorgesehener Zeitplan:

15.01.2017 Frist für das Einreichen der Abstracts (ca. 1-2 Seiten)
31.01.2017 Rückmeldung der Herausgeber über Annahme oder Ablehnung des Abstracts
07.04.2017 Einreichen des vollständigen Beitrags
15.05.2017 Rückmeldung über Annahme oder Bitte um Überarbeitung
31.07.2017 Frist für das Einreichen überarbeiteter BeiträgeHerbst 2017 Erscheinen der Sonderausgabe

 

Herausgeber: Georg Fischer (TU Berlin) & Lorenz Grünewald (HMKW Berlin/IJK Hannover)

http://www.kommunikation-gesellschaft.de

DER FILTER als Gif-Forschungsprojekt

Ein Team um Andine Müller und Lorenz Pöllmann von der HMKW Berlin hat in einem crossmedialen Forschungsprojekt rund um GIFs eine Reihe von Plakaten und (natürlich) GIFs publiziert. In ihrem Projekt #GIFilter wurde das Gestaltungspotenzial von GIFs analysiert, definiert und kategorisiert. Dafür wurden eine große Anzahl von GIFs von populären Plattformen wie Giphy, 4Chan oder Reddit analysiert und 16 Kategorien gebildet. Diese Kategorien wurden neu verdichtet und als Plakate und GIFs veröffentlicht die gemeinsam ein Wandplakat ergeben. Im Zentrum steht dabei ihr Begriff der Sekundenkomplexität, den sie aus der Analyse und der Arbeit an ihren eigenen Gestaltungen entwickelt haben. Die Ergebnisse, Plakate und GIFs können hier eingesehen werden. http://www.der-filter.info/GIF/editorial.html

Rike Maier und Leonhard Dobusch über Meme und Urheberrecht

Rike Maier veröffentlichte am 6. Mai 2016 auf irights.info einen Artikel mit dem Titel “Nicht immer unversöhnlich: Meme und Urheberrecht“. In ihrem Artikel setzt sie sich mit urheberrechtlichen Vorgaben für Meme auseinander und legt dar, unter welchen Voraussetzungen sie zulässig sein können. Dabei kommt sie zum Ergebnis, dass Meme im deutschen Recht in einigen Fällen durchaus legal sind – insbesondere wenn es sich um Parodien handelt. Auch eine Fair Use-Schranke wie im amerikanischen Recht beseitige nicht alle Grauzonen. Beide Rechtsmodelle haben Probleme mit Memes umzugehen, so Maier. Schon auf unserem Workshop hatte sie sich in ihrem Vortrag mit dem Themenbereich auseinandergesetzt.
Leonhard Dobusch antwortet hierauf: “Meme und Urheberrecht: Ohne Fair Use unversöhnt” erschien am 16. Mai 2016 ebenfalls auf irights.info. Dobusch bezieht Stellung und legt dar, warum die Rechtslage trotzdem problematisch ist. Das deutsche Recht erlaube typische Meme nur in Ausnahmefällen, wohingegen das amerikanische Recht besser dazu geeignet sei, mit den Besonderheiten von Memes umzugehen. Schon zuvor hatte Dobusch unter anderem im Zusammenhang mit dem Socially Akward Penguin zum Thema Memes und Urheberrecht Stellung bezogen.

Wolfgang Ullrich über Mem-Ärchäologie

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Wolfgang Ullrich, der unseren Workshop zu “Memes zwischen Originalität und Viralität” im März 2016 eröffnete, hat seinen Vortrag in verschriftlichter Form zur Verfügung gestellt. Ullrich wirft für seine “Archäologie der Mems” folgende Fragen auf:

Haben Internet-Meme Vorläufer in der Geschichte der Kunst? Gibt es Bilder und Bildmotive, die situativ und überraschend, in wechselseitiger Reaktion aufeinander variiert und je nach Kontext in ihrer Bedeutung verändert wurden? Ging es gar darum, mit ihrer Hilfe zu kommunizieren?

Anhand verschiedener, mitunter auch sehr amüsanter Beispiele führt uns Ullrich durch die Kultur der Meme – digital, aber auch weit vor dem Internetzeitalter. Wolfgang Ullrich hat seinen Beitrag bei der Pop-Zeitschrift sowie bei irights.info veröffentlicht.

Wolfgang Ullrich bloggt unter ideenfreiheit.wordpress.com

Hier ein paar Eindrücke aus dem Workshop:

“One does not simply…” – Memes zwischen #Originalität und #Viralität

Interdisziplinärer Workshop am 16. und 17. März 2016 an der TU Berlin

Organisiert vom Graduiertenkolleg “Innovationsgesellschaft heute” der TU Berlin in Kooperation mit der Gesellschaft für Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung (GMM) sowie der HMKW Berlin

Organisation: Georg Fischer, Lorenz Grünewald, Michael Servatius

Kontakt: meme@musikwirtschaftsforschung.de | memestudies.wordpress.com

Call for Papers: “One does not simply…” – Memes zwischen #Originalität und #Viralität

Interdisziplinärer Workshop am 16.03.2016 an der TU Berlin | Deadline für Abstracts: 15.12.2015

Organisiert vom Graduiertenkolleg “Innovationsgesellschaft heute” der TU Berlin in Kooperation mit der Gesellschaft für Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung (GMM) sowie der HMKW Berlin

Memes: Gegenstand und Aspekte

Memes bezeichnen ein scheinbar junges, bisher wenig erforschtes und gleichzeitig sehr unübersichtliches Phänomen der Populärkultur. Das Wort “Meme” geht ursprünglich auf den Evolutionsbiologen Richard Dawkins zurück, der damit – als Gegenstück zum biologischen Gen – die Verbreitung von kulturellen Inhalten erklären wollte. Zwar ist das Konzept wissenschaftlich sehr umstritten, der Begriff konnte sich aber bis heute erhalten: In der Populärkultur bezeichnet man mit Memes Ausschnitte aus bekannten Filmen, Serien, Nachrichten, Musikvideos, Songtexten oder anderen Medienmaterialien, die in neue kommunikative Zusammenhänge gestellt, durch verschiedene Techniken variiert und über digitale Kanäle verbreitet werden. Nicht selten geben Memes einen humorvollen, sarkastischen, skurrilen oder anderweitig bemerkenswerten Kommentar zu aktuellen Ereignissen ab, indem sie neue Bezüge zu anderen Medieninhalten herstellen. Damit wird in Prozessen des Kodierens und Dekodierens oft ein Grundstock an popkulturellem Wissen über verwendete Inhalte und die Meme-interne Grammatik vorausgesetzt. So entstehen fortlaufend neue Abwandlungen, Rekombinationen und Verweise, die mitunter aber auch Urheber- und Persönlichkeitsrechte verletzen oder beispielsweise sexistische und rassistische Stereotypen reproduzieren. In der Regel sind Memes dabei so kurz und prägnant gehalten, dass Form, Inhalt und Bedeutung schnell erfasst, spielerisch variiert und in neuer Version weiterverbreitet werden.

One does not simply

Fast alle Memes verweisen auf ein Spannungsverhältnis zwischen Originalität und Viralität, das wir als Rahmenthema für den Workshop vorschlagen: Memes sind nicht in einem Sinne viral, dass sie – wie ein Virus – eigenständig und gegen den Willen des Subjektes für ihre eigene Reproduktion sorgen. Vielmehr bleibt das Verändern und Vervielfachen von Memes eine soziale Handlung, die beispielsweise kulturelle Zugehörigkeiten artikuliert oder durch das Teilen mit Freunden Beziehungen aktualisiert. Gleichzeitig entstehen Memes erst in einer kollektiven Dynamik, in der viele Personen durch aneinander orientierte Handlungen ein überindividuelles Ganzes entstehen lassen. Diese Viralität prägt die fortlaufende Reproduktion eines Memes, indem sie zum Schaffen neuer Varianten auffordert, gleichzeitig aber starke Abweichungen reguliert. Im Zusammenhang mit den Ausbreitungswellen von Memes werden auch tradierte Konzepte wie Originalität und Autorschaft, die die Eindeutigkeit individueller Schöpfungskraft betonen, herausgefordert. Der Ursprung von Memes kann in zahlreichen Fällen nicht eindeutig geklärt werden. Oftmals zeigt sich auch eine kaum kontrollierbare, sich selbst verstärkende Dynamik zwischen Originalität und Viralität, zwischen Individualität und Kollektivität.

Das Phänomen ist dabei nicht losgelöst von anderen gesellschaftlichen Entwicklungen. So werden Produktion, Zirkulation und Nutzung von Memes zu Schlüsselpraktiken neuer Medienökonomien, z. B. in Form von viralem Marketing oder als Cross-Promotion in YouTube-Netzwerken. Auch lässt sich die Entwicklung innovativer Technologien wie Meme-Generatoren oder Plattformen wie Twitter, Tumblr oder 9Gag beobachten, die ihrerseits durch spezifische Affordanzen zum Spannungsfeld beitragen. Dabei ergeben sich auch vielfältige neue rechtliche Fragestellungen und Herausforderungen. Unabhängig davon werden Memes jenseits des Internets z. B. als T-Shirt-Aufdruck oder als Graffiti in urbanen Räumen sichtbar, was zur Differenzierung des Phänomens beiträgt. Unklar ist damit auch, wie einzelne Meme-Typen unterschieden werden können und in welchem Verhältnis sie zu Phänomen wie Mash-Ups, Samples, Remixes, Parodien, Moden oder Trends stehen.

Wir freuen uns über Einreichungen insbesondere zu den folgenden Themen und Fragen:

  • Mit welchen theoretischen Konzepten lassen sich Prozesse der Genese, Durchsetzung und Diffusion von Memes beschreiben? In welchem Verhältnis stehen Memes zu vergleichbaren Phänomenen?
  • Wie bewegt sich eine Meme durch Medien, Räume und Kulturen? Wie verändert es sich dabei?
  • Wer initiiert, teilt, verändert oder kommentiert Memes? Was ist der Sinn, Wert und Nutzen, der dabei verfolgt wird?
  • Welche Qualität von Neuheit, Originalität und Autorschaft wird in Memes adressiert?
  • Wie werden Memes reflexiv, das heißt als Memes in sich selbst thematisiert?
  • Wie beeinflussen sich Meme-Phänomene und komplementäre Entwicklungen, z. B. durch technologische Innovationen, Geschäftsmodelle oder mediale Praktiken?
  • Inwieweit erfasst das geltende Recht Memes? Welche Probleme stellen sich bei Anwendung und Durchsetzung insbesondere urheber- und persönlichkeitsrechtlicher Vorschriften? Welche Anpassungen sind notwendig und wie können diese implementiert werden?
  • In welcher Form und für welche politischen oder ökonomischen Zwecke wird das Prinzip von Memes genutzt und verändert?
  • Wie werden Stereotypen und Vorurteile, z. B. rassistische, sexistische oder extremistische Positionen in und durch Memes (re)produziert?

Einreichung der Beiträge und Organisation

Der Workshop ist interdisziplinär ausgerichtet und dem Ziel gewidmet, Memes wissenschaftlich besser verstehen und studieren zu können. Willkommen sind Beiträge aus den Disziplinen der Soziologie, Cultural Studies, Kunstgeschichte, Rechtswissenschaft, Managementforschung und angrenzenden Disziplinen. Neben theoretischen und begrifflichen Arbeiten sind empirische Vorschläge, die beispielsweise Meme-Verläufe exemplarisch studieren, ausdrücklich erwünscht.

Bitte senden Sie Ihre Abstracts (250 – 400 Wörter) mit einer kurzen biographischen Angabe (ca. 100 Wörter) bis zum 15.12.2015 an meme@musikwirtschaftsforschung.de. Das Programm des Workshops wird im Januar 2016 zusammengestellt. Die Publikation ausgewählter Beiträge ist angedacht.

Kontakt zu den Organisatoren des Workshops: meme@musikwirtschaftsforschung.de

Georg Fischer (Graduiertenkolleg “Innovationsgesellschaft heute”, TU Berlin)

Lorenz Grünewald (HMKW Berlin / HMTM Hannover)

Michael Servatius (HU Berlin)

www.innovation.tu-berlin.de | www.musikwirtschaftsforschung.de